Rollwagen für Kaninchen

- Erfahrungsbericht und Bauanleitung -

 

Mein Kaninchen Nepomuk (20.12.2004 – 6.1.2006) erkrankte an Encephalitozoon Cuniculi und war dadurch behindert. Bedingt durch die Schädigung des zentralen Nervensystems konnte er seine Hinterbeine nicht richtig koordinieren und deshalb nicht mehr hoppeln, sondern kippte zur Seite. Einschläfern lassen kam für mich nicht sofort in Frage, da der kleine Mann noch eine riesige Lebensfreude an den Tag legte, mit Genuss fraß und gerne stundenlang schmuste. Außerdem hoffte ich, dass Nepomuk durch die richtige Medikamentengabe wieder gesund werden könnte.

Da seine Muskeln stark abbauten, entschieden wir uns, einen Rollwagen für ihn zu bauen, damit er sich unter Aufsicht zeitweilig wieder vollkommen selbständig bewegen konnte. Im Folgenden möchte ich meine Erfahrungen zum Bau von Nepomuks „Muckimobil“ und den Umgang damit festhalten und an Kaninchenbesitzer, die ein behindertes Kaninchen haben und sich über die Anschaffung eines Rollwagens Gedanken machen, weitergeben. 

 

Bei der Entscheidung, ob man für sein Kaninchen einen Rollwagen bauen möchte, sollte man einige Punkte sehr genau überdenken:

 

(1)  Kaninchen sind generell Fluchttiere. Ob ein Kaninchen trotzdem mit seinem Rollwagen zurechtkommt, ist sehr stark abhängig vom Charakter des Tieres und der Beziehung zwischen Mensch und Tier. Das Kaninchen darf absolut keine Angst vor Berührungen haben, muss sich problemlos herumtragen lassen und darf keinesfalls leicht in Panik geraten. Ein absolutes Vertrauen zu „seinem“ Menschen ist die Grundvoraussetzung, dass es mit dem Wagen zurechtkommt, denn vor allem die Anpassung des Wagens aber auch die jeweilige Befestigung erfordert Zeit. Das Kaninchen muss sich dabei geduldig hoch halten lassen und darf keine Angst vor Wagen und Befestigungsgurten haben.

(2)  Das Kaninchen sollte NIE ohne Aufsicht im Rollwagen sein. Wenn es sich irgendwo verfängt oder wegrutscht, kann es Panik bekommen und sich verletzten.

(3)  Das Kaninchen kann im Wagen nicht liegen. Aus diesem Grund muss der Besitzer sehr sensibel sein und durch ständige Beobachtung sicherstellen, dass das Kaninchen nicht überfordert wird und sofort aus dem Wagen genommen wird, wenn es sich hinlegen möchte!

(4)  Das Kaninchen sollte sehr langsam an den Rollwagen gewöhnt werden und zu Beginn nur sehr kurze Zeit im Wagen bleiben. Eine leckere Belohnung sollte nie fehlen!

(5)  Natürlich darf der Rollwagen dem Kaninchen keine Schmerzen zufügen oder ihm schaden. Bitte einen solchen Wagen also nur nach Rücksprache mit einem kompetenten Tierarzt einsetzen (bei manchen Verletzungen, wie z.B. Wirbelsäulenschäden, könnte sich der Gesundheitszustand durch den Wagen auch verschlimmern!!!) und das Kaninchen sehr genau beobachten, ob es sich wohl fühlt.

(6)  Ziel des Rollwagens: Besonders geeignet ist der Rollwagen, wenn das Kaninchen eine Chance auf Heilung hat, da so der Muskelabbau verzögert werden und der Wagen zur Therapie dienen kann. Aber auch bei einem behinderten Kaninchen, das wenig/keine Hoffnung auf eine vollständige Genesung hat, sind folgende Verbesserungen des Gesundheitszustands zu erwarten:

-          Der Kreislauf kommt in Schwung.

-          Haut und Muskeln werden besser durchblutet. Dies hilft, Muskeln aufzubauen und die Gefahr von Druckstellen durch das Liegen wird verringert. Die Haut wird entlastet, Haut und Fell können etwas abtrocknen und vorhandene Hautdefekte heilen besser.

-          Durch Bewegung und Lageveränderung wird die Lunge besser belüftet und durchblutet, der Gasaustausch kann besser stattfinden, die Gefahr einer Lungenentzündung wird minimiert.

-          Und zuletzt – was jedoch nicht zu vernachlässigen ist – ist es ein großer Gewinn für die Lebensfreude eines behinderten Kaninchens, das sich dann endlich wieder so fortbewegen kann, wie es will.

(7)  Als eine generelle Frage ist zu bedenken, wann ein behindertes Kaninchen ein noch lebenswertes Leben besitzt und wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, es gehen zu lassen; vor allem, wenn keine Aussicht auf Heilung besteht. Dies ist die wohl schwierigste Frage, die einzig und alleine der Besitzer beantworten kann. Ich persönlich bin jedoch der festen Überzeugung, dass ein verantwortungsvoller Kaninchenhalter, der sich intensiv mit seinem Tier auseinandersetzt und es gut kennt, genau weiß, wann der Zeitpunkt gekommen ist, ab dem es nicht mehr geht. Man merkt dem Tier an, ob es noch kämpfen will oder sich selbst aufgegeben hat.

 

Auf dem Markt gibt es (noch?) keine speziell auf Kaninchen abgestimmten Rollwagen. Sonderanfertigungen sind bei manchen Firmen, die Laufhilfen für Hunde herstellen, zwar erhältlich, die Kosten dafür sind jedoch sehr hoch. Aus diesem Grund kann man auch selbst einen Rollwagen für sein Kaninchen bauen.

 

Im Folgenden wird die Bauanleitung für einen Wagen, den eigentlich jeder mit etwas handwerklichem Geschick und einer „normalen“ Heimwerker-Ausstattung mit Hilfe von Materialien, die in jedem Baumarkt erhältlich sind, nachbauen kann.

Basismaterial sind Kupfer-Heizungsrohre.

 

Und so soll der fertige Wagen ungefähr aussehen:

 

 

 

1)   Nötige Teile

 

Bezeichnung

Anzahl

Größe

T-Teil (Kupfer)

2

Ø ca. 12mm

Endkappe (Kupfer)

2

Ø ca. 12mm

Winkel mit 2 gleichen Enden (Kupfer)

2

Ø ca. 12mm

Winkel mit unterschiedlichen Enden (Kupfer)

2

Ø ca. 12mm und Achsendurchmesser

Achse (wird zu 2 Teilen zurechtgesägt)

1

Ø passend zu Rädern

Stellring (mit Wurmschraube)

4

passend zu Achse

Rad

2

Ø z.B. 14cm

Kupferrohr

1-2

Ø ca. 12mm, Länge z.B. 1m

      Außerdem:

-          Meterstab/Maßband

-          Metallsäge

-          Metallfeile (zum Entgraten)

-          Bohrer Ø 3,1mm, Bohrmaschine

-          Nietzange und Nieten, Ø 3mm

-          Klebstoff (geeignet für Metalle)

 

 

2)   Maße

 

     Die Größe des Rollwagens ist natürlich von der Größe des Kaninchens abhängig und

     kann nicht pauschal angegeben werden. Das Kaninchen muss also vor dem Bau

     vermessen werden.

Mit Hilfe der folgenden Bilder kann man die nötige Größe/Höhe des Wagens etwas  abschätzen:

 

 

  

 

 

 

 

 

 

3)   Bauanleitung

 

Auf den folgenden Seiten wird die Bauanleitung für den Rollwagen dargestellt. In den erklärenden Skizzen habe ich die Einzelteile mit Buchstaben bzw. Zahlen gekennzeichnet, um verständlich zu machen, auf welches Teil ich mich beziehe. Folgende Zuordnung wird gemacht:

 

A

T-Teil

B

Endkappe

C

Winkel mit 2 gleichen Enden

D

Winkel mit unterschiedlichen Enden

E

Achsen (zurechtgesägt)

F

Stellring

G

Rad

(1)-(4)

Zurechtgesägte Stücke des Kupferrohres (siehe unten)

 

 

 

 

 

 

Text Box: Schritt 1

Aus dem Kupferrohr alle benötigten Teile zusägen:

 

 

 

 

 

(1)

Strebe für hinten (1 Mal)

(2)

Verbindungsteil zwischen Hinterteil und T-Stück (2 Mal)

(3)

Strebe von T-Stück nach vorne (2 Mal)

(4)

Verbindungen nach unten (2 Mal)

 

 

Die Achsen (E) so zusägen, dass ihre Länge genau der

Breite von einem Rad plus den beiden Stellringen

entspricht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Nach dem Zusägen alle Teile mit einer Feile entgraten.

 

 

Text Box: Schritt 2

Anfertigung von Teil I (2-mal benötigt):

 

 

 

                 

 

Nieten: Die beiden zu vernietenden Teile zusammenstecken, mit einem Bohrer durch je eine Wand beider Teile bohren und vernieten.

 

Text Box: Schritt 3

 

Die beiden in Schritt 2 erstellten Teile so mit den anderen verbinden, dass die offenen Enden der T-Stücke je nach unten (bzw. beim Montieren nach oben) zeigen. Damit es gerade wird, am besten alle Teile auf einen Tisch oder eine andere flache Unterlage legen.

 

 

Erstellung Teil II:

 

 

Text Box: Schritt 4

Anfertigung von Teil III:

Teil D so befestigen, dass die offenen Enden des Winkels jeweils nach außen zeigen.

 

 

 

                                  

 

 

 

 

 

Text Box: Schritt 5

 

Fertigung Teil IV:

 

 

 

 

 

 

Text Box: Schritt 6

 

Fertigstellung:

 

 

4) Befestigung

 

Nach Erstellung des Grundgerüsts erfolgt die Anfertigung der Befestigungsgurte. Dazu ist es schwierig, pauschale Tipps zu geben, denn die Befestigungsart ist in hohem Maße von Art und Schwere der Behinderung abhängig.

Folgendes ist bei der Befestigung zu beachten:

-          Es dürfen keine Druck- und Scheuerstellen entstehen, weshalb die Materialauswahl sorgfältig erfolgen muss.

-          Es darf auf gar keinen Fall passieren, dass die Befestigungsgurte einschneiden, sie dürfen z.B. auf keinen Fall den Hals oder Bauch einschnüren!

-          Zur Fixierung sind Gummiband und Klettverschlüsse gut geeignet, da diese flexibel sind und sich schnell öffnen und schließen lassen.

-          Meist muss die Befestigungsart über einen gewissen Zeitraum ausprobiert und angepasst werden, was eine gewisse Geduld beim Besitzer und beim Kaninchen erfordert.

 

 

Folgendes Beispiel stellt die Befestigungsart meines Kaninchens dar, das die Hinterbeine nicht mehr richtig koordinieren, jedoch noch komplett bewegen konnte.

 

 


Schematische Darstellung:

 

 

 

Ich habe zwischen den seitlichen Teilen des Wagens einen Stoff angenäht, in den ich Löcher für die Hinterbeine eingebracht habe. Die in der Skizze dunkelblau dargestellten Befestigungsgurte mit Klettverschluss wurden über dem Rücken des Kaninchens verschlossen. Die grün dargestellten Befestigungsgurte (ebenfalls mit Klettverschluss) wurden an das Brustgeschirr angeklettet.

 

Das Brustgeschirr selbst bestand aus zwei aneinander genähten Gurten. Die Vorderbeine kamen durch die „Schlaufe“, danach wurde das Geschirr mit den Knöpfen am Rücken verschlossen. An die beiden Klettverschlüsse rechts und links in Schulterhöhe konnte man die Gegenstücke, die fest am Wagen waren, ankletten.

 

 

Das Brustgeschirr wurde später noch mit Fell gepolstert, um Druckstellen zu vermeiden


Weitere Fotos:

 

 

Da Nepomuk die Beine nicht koordinieren konnte und deshalb die Hinterbeine zu dicht zusammen waren, wurde Schaumstoff eingenäht. Da dieser Schaumstoff jedoch zu Scheuerstellen führen kann, wurde danach der komplette Wagen mit weichem Fell ausgepolstert.

 

 

 

Nepomuk hatte schon nach einer kurzen Eingewöhnungsphase viel Spaß mit seinem „Muckimobil“ und genoss das Herumhoppeln sichtlich.

 

 

 

 

 

© Larissa Mogck, Februar 2007